Am 18.05.2008 trat in Kamen ein Prüfungsgremium des GOJU-Ryu unter der Leitung von Hanshi Fritz Nöpel, 9. Dan zusammen. Gemeinsam mit DKV- und GKD-Vizepräsident Ulrich Heckhuis, 7. Dan und Klaus Fingerle, 6. Dan, wurden Dan-Prüfungen ab dem 3. Dan abgenommen. Mit dabei war Brigitte Kipke-Osterbrink, die als erste Frau im GOJU-Ryu den 6. Dan erreichen wollte.
„Die Prüfung war super“, so Ulrich Heckhuis. „Das hatte Hand und Fuß!“ Die Juristin ist seit 1981 dem Karate-Do treu und leitet gemeinsam mit Frank Beeking das Dojo im TV Jahn Rheine. Anlässlich des Deutschen GOJU-Ryu Cups am 31.05.2008 konnte ich ein längeres Gespräch mit Brigitte über das Karate, über ihren Karate-Lebensweg und über ihre beständige Pionier-Rolle führen. Sie hatte gerade ihre Schülerinnen und Schüler an der Tatami gecoacht und anschließend selbst die Masterklasse im Kata-Wettbewerb gewonnen.
Die neue Graduierung erfüllt sie mit Stolz, doch den behält sie eigentlich lieber für sich selbst. „Als erste Frau in meiner Stilrichtung den 6. Dan zu erreichen, das war nie vordergründiges Ziel für mich. Es ist immer eins nach dem anderen auf mich zu gekommen, auch meine A-Prüferinnen-Lizenz, aber was realistisch und greifbar wird, dafür setze ich mich dann auch ein!“, so Brigitte, die sich selbst auch als Perfektionistin beschreibt.
Begonnen hat sie ihre Karate-Zeit 1981 in der neu gegründeten Abteilung
für Karate im TV Emsdetten. Als deren Trainer 1982 aus beruflichen
Gründen immer häufiger das Training ausfallen lassen musste, wechselte
sie nach Rheine in die Karate-Abteilung des TV Jahn, wo sie auch heute
noch Mitglied ist. Als Weißgurtträgerin reiste sie als Zuschauerin mit
ihren Vereinskollegen erstmalig zum Deutschen GOJU-Ryu Cup. Ein Jahr
später durfte sie auch starten und gewann quasi aus dem Stand den
Kata-Wettbewerb der Unterstufe. Ein prägendes Erlebnis, sie blieb dem
aktiven Wettkampf mit beachtlichen Erfolgen in Kata und Kumite bis1991
treu. Dann musste sie dringend ihr Jura-Studium beenden, das doch unter
ihren Karate-Aktivitäten hatte ein wenig leiden müssen. Ihr erster
Trainer Lothar Fonferrek hatte ihr einmal gesagt, dass es von etwa 100
Anfängern einer bis zum Dan schaffe – und das sie das Zeug dazu habe.
Dieser Gedanke hat sie seither begleitet und immer wieder motiviert,
sich auch weiterhin anzustrengen und zu verbessern.
Brigitte Kipke-Osterbrink gehört zu den Karateka der Generation, die
die anfänglichen Differenzen und Probleme der Stilrichtungen
untereinander hautnah miterlebte. Für sie machte sich das besonders auf
den Meisterschaften bemerkbar: „Man kannte unsere Katas einfach nicht
und so bekamen wir deutlich schlechtere Wertungen!“ Trotzdem
qualifizierte sie sich mehrfach zur Deutschen Meisterschaft. „Ich
denke, heute haben es die Athleten deutlich leichter, sich mit ihren
Katas durchzusetzen, wenn sie gut sind. Da hat sich doch einiges
getan.“ Ein gutes Beispiel dafür liefern regelmäßig ihre Schülerinnen
und Schüler, die auf den Turnieren auf den Kata-Siegertreppchen
landen.
Bereits als Braungurtträgerin hat Brigitte Kipke-Osterbrink
Trainer-Aufgaben wahrgenommen. Seit einigen Jahren betreut und fördert
sie den jugendlichen Nachwuchs in ihrem Dojo, leitet hier das reguläre
und das Wettkampftraining. Zudem trainiert sie für sich und verbringt
so viele Stunden jede Woche im Karate-Gi. „Ans Aufhören habe ich
eigentlich nie gedacht. Nur während des Studiums musste ich mal kürzer
treten, aber Aufhören war für mich nie eine Option.“
Seit der Gründung des Schiedsgerichts des KDNW 1994 ist sie Mitglied in
diesem Gremium. Erfreulicherweise musste es in den vielen Jahren nur
äußerst selten tatsächlich über Streitigkeiten und Beschwerden
entscheiden, das meiste konnte außerhalb des Schiedsgerichts im Vorfeld
geklärt werden.
In diesem Jahr hat die engagierte Karatemeisterin sich zum Ziel
gesetzt, sich bei der DM der Masterklasse in Berlin noch einmal mit
anderen Frauen in der Klasse Ü40 im Kata-Wettbewerb zu messen. Auf
meine Frage, was sie anderen Frauen mit auf den Weg geben möchte, die
noch am Anfang ihres Karate-Weges stehen, meinte sie nach längerem
Überlegen: „Man sollte sich nicht zu sehr in eine Frauen-Ecke stellen
lassen. Man sollte sich genau überlegen, was man will und das Ziel dann
auch beständig weiterverfolgen!“ Dass das klappen kann, hat sie
bewiesen: Sie blickt bereits auf eine erfolgreiche Karate-Zeit zurück,
trägt den 6. Dan und hat die Lizenz, Dan-Prüfungen abzunehmen.
Judith Niemann